Quakenbrück (Niedersachsen)

 Datei:LD Osnabrück.jpgBildergebnis für landkreis Osnabrück ortsdienst karte Quakenbrück mit derzeit ca. 13.500 Einwohnern gehört heute zur kommunalen Samtgemeinde Artland im äußersten Norden des Landkreises Osnabrück (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Landkreis Osnabrück', aus: ortsdienst.de/niedersachsen/landkreis-osnabrueck).

 

Einzelne jüdische Familien ließen sich Anfang des 19. Jahrhunderts im benachbarten Kirchspiel Badbergen nieder; bereits damals unterhielten diese Familien ein kleines Bethaus. Mit der Bildung von jüdischen Gemeindebezirken im Königreich Hannover 1842 wurde auch Badbergen - wegen der Existenz eines Synagogenraumes - zum Sitz einer kleinen Gemeinde. Ihr waren auch die Juden aus Alfhausen, Ankum und Menslage, später auch aus Quakenbrück zugeordnet.

Im Jahre 1844 ist erstmals eine jüdische Familie in Quakenbrück nachweisbar. Als dann die Juden aus Quakenbrück zur stärksten Gruppe innerhalb der Gemeinde wurden, verlagerte sich der religiöse Mittelpunkt allmählich nach Quakenbrück - zumal in Badbergen ab 1865 nur noch einzelne Juden lebten. Doch die Verlegung des Betraumes scheiterte zunächst am Einspruch des Landesrabbiners, der die Kosten für die Schaffung neuer gemeindlicher Einrichtungen fürchtete. So verwaiste und verwahrloste das Bethaus in Badbergen, da es von den Gemeindemitgliedern nicht mehr benutzt wurde. Gottesdienste wurden in einem Provisorium in Quakenbrück abgehalten. Erst 1897 wurde Quakenbrück offiziell neuer Sitz der Synagogengemeinde, die nun die offizielle Bezeichnung „Synagogen-Gemeinde Badbergen, Sitz Quakenbrück” führte. In einem unscheinbaren Gebäude in der Kreuzstraße waren Betsaal, Schulraum und eine kleine Wohnung des Kantors untergebracht.

               Bethaus (hist. Aufn. um 1905)

Die Schule bestand bis in die Mitte der 1920er Jahre. Das alte Bethaus in Badbergen wurde auf Abbruch verkauft.

Mitte der 1920er Jahre wurde am Steimelager Weg eine neue Begräbnisstätte angelegt*; sie ersetzte bzw. ergänzte einen aus den 1830er Jahren stammenden Friedhof in Grothe bei Badbergen.

*Anm.: Auf Grund der wachsenden Zahl jüdischer Bewohner hatte die Synagogengemeinde Bad­bergen 1920 beschlossen, ein weiteres Friedhofsgelände im benachbarten Quakenbrück zu erwerben. Dieses 1,5 Hektar große Areal an der Steimelage in Quakenbrück war der Gemeinde Bad­bergen vom Unternehmen Magnus aus Quakenbrück verkauft und von Mitgliedern der Synagogengemeinde finanziert worden.

Juden in (Badbergen)-Quakenbrück:

         --- um 1845 ....................... 28 Juden,*      * ‘Synagogengemeinde Badbergen

    --- 1867 .......................... 17   “  ,**     ** nur Quakenbrück

    --- 1875 .......................... 21   "  ,**

    --- 1885 .......................... 28   “  ,**

    --- 1895 .......................... 37   “  ,**

             .......................... 95   “  ,***    *** Synagogengemeinde Quakenbrück

    --- 1926 .......................... 90   “  ,***

    --- 1932 .......................... 74   “  ,***

             .......................... 37   “  ,**

    --- 1939 (März) ................... 15   “  ,**

    --- 1940 ..........................  4   “  ,**

    --- 1941 (März) ...................  keine.

Angaben aus: Theodor Penners, Die jüdische Gemeinde in Quakenbrück

Ansichtskarte Quakenbrück Kirch Strasse 1908 0 Kirchstraße in Quakenbrück, Postkarte um 1908 (aus: oldthing.de)

 

Die Quakenbrücker Juden waren um 1900 fast durchweg auf dem Handelssektor tätig - überwiegend im Vieh-, Pferde und Manufakturwarenhandel; besonders im überregionalem Viehhandel waren Quakenbrücker Juden involviert.

In den ersten Jahren nach der NS-Machtübernahme waren noch die allermeisten Gemeindeangehörigen gewillt durchzuhalten; kaum einer verließ den Ort. Erst mit dem vermehrten Auftreten antisemitischer „Vorkommnisse“ 1935/1936 setzte die Abwanderung der jüdischen Familien ein; ihre Geschäftstätigkeiten waren immer mehr beschnitten und damit die Lebensgrundlage entzogen worden; nur wenige hielten dem wirtschaftlichen Druck Stand. Die Vorgänge des „Kristallnacht“ im November 1938 leiteten das Ende der hiesigen Kultusgemeinde ein. Auf Anordnung der SA-Führung in Cloppenburg wurde die Synagoge in der Kreuzstraße geplündert: Ritualgegenstände und die Thora-Rolle wurden aus dem Gebäude geschleppt und unter den Augen einer aufgeputschten Menschenmenge verbrannt; danach wurde die Synagoge in Brand gesetzt.

                 Das Geschehen in Quakenbrück kann teilweise aus Notizen der Stadtverwaltung rekonstruiert werden; in diesen hieß es u.a.:

„ ... indem Feuer an die Synagoge gelegt wurde, die bis auf die Umfassungsmauern niederbrannte. Außerdem nahm die SA die jüdischen Männer fest, die zunächst im Rathaus abgeliefert und dort festgehalten wurden. Als dann gegen Mittag auch aus der Umgebung weitere Judentransporte, sogar Frauen, eintrafen, wurden die Juden zum Amtsgerichtsgefängnis gebracht. ... Über Zerstörung sonstigen jüdischen Eigentums oder über Mißhandlung von Juden ist bis zum Abend nichts bekannt geworden. ..., daß auch alle über 55 Jahre alten Juden sofort entlassen werden sollten. Die Frauen waren schon Mittag entlassen. ...”

In Augenzeugenberichten hieß es aber, dass auch körperliche Gewalt gegen die jüdischen Bewohner angewandt wurde; so seien sie durch die Straßen getrieben und brutal geschlagen worden. Plünderungen schienen sich in Grenzen gehalten zu haben. Vier Juden wurden ins KZ Buchenwald verfrachtet; einer von ihnen kam dort ums Leben. Ende Mai 1939 war ihr gesamter Grundbesitz „arisiert“; die letzten noch verbliebenen Juden - im „Judenhaus“ in der Hasestraße zusammengedrängt - mussten alsbald den Ort verlassen. Am 12.März 1941 meldete die Stadt Quakenbrück an die Staatspolizeistelle Osnabrück: „Hier sind keine Juden mehr.

Nach 1945 wurden sechs der am Novemberpogrom in Quakenbrück beteiligten Personen vor Gericht gestellt; einer der Angeklagten wurde freigesprochen, fünf wurden zu Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren verurteilt.

 

An der Ecke Kreuzstraße/Friedrich-Ebert-Straße erinnert seit 1983 eine Gedenktafel an die einstige jüdische Gemeinde Quakenbrücks.

Gedenktafel (Aufn. R. C., 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

2011 wurden die ersten sog. „Stolpersteine“ in den Straßen Quakenbrücks verlegt; inzwischen findet man an 14 Standorten im Stadtgebiet nahezu 40 Steine, die den Opfern der NS-Gewaltherrschaft gewidmet sind (Stand 2022).

Mit einer Gedenkfeier wurde am 9.11.2016 der umgestaltete Synagogenplatz eingeweiht; dabei treten granitene Stelen als Denk-/Mahnmal in den Blick; zudem ist in der verschiedenfarbigen Pflasterung des Platzes ein Davidstern abgebildet. Die Inschrift der Gedenktafel trägt folgende Worte: "Hier stand von 18097 bis 1938 das Bethaus der Synagogengemeinde Badbergen, das am 10.November 1938 von Mitgliedern der SA aus Quakenbrück durch Feuer zerstört wurde.“

Der jüdische Friedhof am Steimelager Weg - von 1924 bis 1936 belegt - weist sieben Grabsteine auf.

   Jüdischer Friedhof Quakenbrück, Infotafel.jpg

  Aufn. R.C., 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0 

 

Badbergen besitzt seit 2015 die ersten sieben "Erinnerungsquader", die an Angehörige der jüdischen Familie Mindus erinnern sollen.

     Aufn. Christian Geers (aus: „Neue Osnabrücker Zeitung“)

2016 wurden weitere zehn sog. „Stolpersteine“ Am Marktplatz 4 (an der Bahnhofstraße) gelegt, die der jüdischen Familie Meyer gewidmet sind; einigen Familienmitgliedern gelang noch eine Emigration (nach Argentinien), die anderen wurden Opfer der Shoa.

                    Stolperstein für Carl MeyerStolperstein für Ida MeyerStolperstein für David MeyerStolperstein für Julius Meyer                   

                            Stolperstein für Else Meyer fünf von insgesamt zehn "Stolpersteinen" für Fam. Meyer (Aufn. R., 2019, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

Im Ortsteil Grothe der Kommune Badbergen ist der jüdische Friedhof mit ca. 50 Grabsteinen erhalten geblieben. Das Begräbnisareal, das von 1838 bis ca. 1935 belegt wurde, befindet sich an der Straße „Am Judenfriedhof“ ca. drei Kilometer westlich Badbergens

jüdischer Friedhof in Badbergen-Grothe (Aufn. R., 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)        

 

 

 

In Alfhausen (Samtgemeinde Bersenbrück) – ca. 25 Kilometer südlich von Quakenbrück – lebten bis in die NS-Zeit nur wenige jüdische Familien. Nachweislich wurden 24 Alfhausener und aus der nahen Umgebung stammende Juden Opfer der „Endlösung“. Zu den bislang sieben in der Thiener Straße.verlegten „Stolpersteinen“ wurde 2016 zudem eine Gedenktafel angebracht, die an Angehörige der Familie Hugo (Herz) Meyer / de Jonge erinnert.

 

 

 

In Bersenbrück – ca. 15 Kilometer südlich von Badbergen/Quakenbrück – erinnert seit 2005 eine Stele an die Opfer des NS-Regimes.

       Stele - Mahnmal Gedenkstele in Bersenbrück (Aufn. aus: osnabruecker-land.de

2021 ist die Verlegung von sechs „Stolpersteinen“ erfolgt: in Erínnerung an vier Angehörige der Familie de Levie (Bramsche Str.) und zwei der Geschwister Wexseler (Ankumer Straße).            

       Aufn. aus: euer-name-lebt.de (2021)

 

 

 

Weitere Informationen:

Zvi Asaria, Die Juden in Niedersachsen von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, Leer 1979, S. 324 f., S. 502 und S. 530

Theodor Penners, Die jüdische Gemeinde in Quakenbrück, in: H.-R.Jarck (Hrg.), Quakenbrück - Von der Grenzfestung zum Gewerbezentrum - Zur 750-Jahr-Feier, Quakenbrück 1985, S. 490 - 509

Maria von Borries, Euer Name lebt. Zur Geschichte der Juden in der Region Bersenbrück, Bramsche 1997

Daniel Fraenkel (Bearb.), Badbergen/Quakenbrück, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Band 1, S. 152 – 159

Heiko Bockstiegel (Red.), Aus der Geschichte jüdischer Mitbürger: Quakenbrück. Auf der Spur der "Stolpersteine", in: „Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 28.9.2011

Renate Rengermann, „Sag’ mir, wo die Juden sind“. Hundert Jahre jüdisches Leben in Quakenbrück. Eine Untersuchung, 2013

Samtgemeinde Artland (Hrg.), Spuren jüdischen Lebens, online abrufbar unter: artland.de

Alexandra Lüders (Red.), 20 weitere Stolpersteine in Quakenbrück verlegt, in: „Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 2.1.2014

Samtgemeinde Artland (Hrg.), Stolpersteine, online abrufbar unter: artland.de (mit Namensliste und Standortskizze der verlegten Stolpersteine)

Familie Simon – Die Geschichte einer jüdischen Familie Der jüdische Friedhof in Grothe, online unter: denktag.de/2014familiesimons/

Katharaina Preuth (Red.), Letzter Stolperstein in Quakenbrück verlegt, in: "Lingener Tagespost" vom 9.11.2015

Christian Peters, Nationalsozialistische Machtdurchsetzung in Kleinstädten. Eine vergleichende Studie zu Quakenbrück und Heide/Holstein, Bielefeld 2015

Bjoern Thienenkamp (Red.), Zehn Stolpersteine erinnern an Badberger Familie Meyer, in: „Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 5.6.2016

Heimatverein Quakenbrück (Hrg.), Stolpersteine – Juden in Quakenbrück, Quakenbrück 2016

Auflistung der in Badbergen verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: commons.wikimedia.org/wiki/Category:Stolpersteine_in_Badbergen

Samtgemeinde Artland (Hrg.), Synagogenplatz, online abrufbar unter: artland.de/staticsite/staticsite.php?menuid=2068&topmenu=1871

Christian Geers (Red.), Quakenbrücker Synagogenplatz „würdiger Ort des Gedenkens", in: „Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 10.11.2016

Christian Geers (Red.), Quakenbrück hält Erinnerung an jüdisches Leben wach, in: „Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 27.1.2017

Christian Geers (Red.), Broschüre erinnert an jüdisches Leben in Badbergen, in: „Lingener Tagespost“ vom 6.5.2018

Jens-Christian Wagner (Red.), QUAKENBRÜCK – Novemberpogrome 1938 in Niedersachsen, Hrg. Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten, online abrufbar unter: pogrome1938-niedersachsen.de/quakenbrueck/

Alexandra Lüders (Red.), Wie zwei jüdische Mädchen aus Quakenbrück einem grausamen Schicksal entgingen, in: „Lingener Tagespost“ vom 11.4.2020

Alexandra Lüders (Red.), Auf den Spuren der jüdischen Familie Reinsberg in Quakenbrück, in: „Lingener Tagespost“ vom 13.7.2020

Martin Schmitz (Red.), Wie die Bürger im Altkreis Bersenbrück seit Jahren die Erinnerungen an den Holocaust wach halten, aus: „Lingener Tagespost“ vom 22.1.2021

Sarah Geers/Elisabeth Middelschulte/Bernhard Mecklenfeld (Bearb.), Euer Name lebt – Stolpersteine in Bersenbrück, hrg. vom Initiativkreis Stolpersteine, Bersenbrück 2021

Martin Schmitz (Red.), Erinnerung an jüdische Familien. Mittwoch Stolpersteinverlegung in Bersenbrück mit Günter Demnig, in: „Lingener Tagespost“ vom 21.6.2021